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Herleitung zum Thema

„Es gibt Berufe, die schädlicher sind als das Industriedesign, aber nur sehr wenige. Und wahrscheinlich ist nur ein Beruf verlogener. Werbung, die Menschen überzeugt Dinge zu kaufen, die sie nicht brauchen, mit Geld, das sie nicht haben, um Menschen zu beeindrucken denen das egal ist, ist wahrscheinlich der verlogenste Beruf von heute.“1 Damit leitet Victor Papanek 1985 sein Buch „DESIGN for the REAL WORLD“ ein und steht damit am Anfang der ethischen Bestrebungen des modernen Produktdesigns und in gewisser Weise auch des Social Designs. Im Kommunikationsdesign sind Bestrebungen zur wissenschaftlich geführten ethischen Reflexion deutlich neuer.2 Seit 2017 gibt es die von Christian Bauer und Gerhard Schweppenhäuser geschriebene Arbeit Ethik im Kommunikationsdesign,3 welche zuerst systematisch Kommunikation, Design und viele verschiedene Teilbereichsethiken und Ethiksysteme in einem Buch zusammenfasst. Beide Autoren haben auch bei der Erstellung der vorliegenden Arbeit mitgeholfen. G. Schweppenhäuser als theoretischer Betreuer, C. Bauer mehrfach als Ansprechpartner bei Problemen und als Leitung eines Seminars zur Angewandten Ethik.

Nachdem es nun diesen wichtigen Grundstein – die Ethik im Kommunikationsdesign – gab, sollte mein Masterstudium versuchen, wie weit man kommt, wenn man ein bestimmtes ethisches System – und nicht wie in der Ethik der Kommunikationsdesign eine Fülle von unterschiedlichen Systemen – auf das Kommunikationsdesign anwendet.

Designer*innen haben einen intrinsischen Glauben an Lösungen.4 Das entwickeln von Lösungen für Anforderungen5 von Auftraggeber*innen ist schließlich Hauptbeschäftigung von Designer*innen. Dieser pragmatische Blick auf die Welt (Problem–Identifikation–Bearbeitung–Lösung) ist elementar für die Designarbeit. Und die Probleme scheinen uns in dieser spätkapitalistischen Welt nicht auszugehen. Zwischen Anregung zu übermäßigem Konsum, Beitrag zur Klimakrise und Greenwashing, hat die Designarbeit einige Herausforderungen zu beachten. Und diese sind Designer*innen keineswegs egal. Es zeichnet sich heute eine weitere Bewegung hin zur moralischen Haltung im Designbereich. Bücher wie Transformationsdesign6, The value of Design7 oder Schön und gut – Was werteorientierte Gestaltung verändern kann8 bezeugen ein Interesse an ethisch-moralisch reflektierter Haltung in der Designarbeit.

Doch diese Abhandlungen scheitern daran, dass sie entweder wenig auf die Umsetzbarkeit ihrer Forderungen eingehen oder ihre Überzeugungen nicht ethisch reflektieren. Außerdem erheben sie Designer*innen oft zu ethisch, moralisch finalen Instanzen, die ihren Kund*innen und Rezipient*innen9 spiegeln, was richtig und was falsch ist. Diese Moralisierung von Design überschätzt oft die Möglichkeiten von Designer*innen und lässt außer acht, dass Designer*innen gerne auch Perspektiven, Werte und Ansprüche anderer Menschen übersehen.

Deswegen setzt sich diese Arbeit mit der Diskursethik und der Integration dieser in die Designarbeit auseinander. Die beiden großen Denker und Begründer der Diskursethik sind Karl Otto Apel und Jürgen Habermas. Diese Arbeit beschäftigt sich vor allem mit den Arbeiten von Jürgen Habermas, da dieser durch seine größere Nähe zur Frankfurter Schule einige interessante Einsichten und Parallelen zu den Arbeiten von Walter Benjamin und Theodor Adorno zulässt, die – wie die Arbeiten von Gerhard Schweppenhäuser zeigen – auch für die Designtheorie und -philosophie gut angewendet werden können.

  1. @papanek2011, S. IX; Übersetzung aus dem Englischen ↩︎
  2. Deutlich früher zu nennen wäre aber das „first things first manifesto“, welches schon im Jahre 1964 Grafikdesigner*innen und Photograph*innen dazu aufforderte die Werbung zu überdenken. Auch Otl Aicher sprach schon deutlich früher über Werte im Design und gutes Design im Allgemeinen. Allerdings fehlte diesen Diskursen immer der philosophische ethische Hintergrund. ↩︎
  3. @bauer2017 ↩︎
  4. @bauer2017 S. 386—401 ↩︎
  5. Immer wieder hört man, dass Design dazu da ist Probleme zu lösen. Diese Darstellung halte ich aber für zu verknappt. Vielmehr schlage ich vor, Design so zu betrachten, dass es immer dazu dient ein Ziel zu erfüllen. Das befreit Design von der negativistischen Betrachtungsweise, dass Design nur da sinnvoll ist, wo auch ein Problem ist. Ich benutze deswegen statt des Terminus Problem Anforderung. ↩︎
  6. @sommer2014 ↩︎
  7. @wagner2015 ↩︎
  8. @koop2019 ↩︎
  9. Das Wort Rezipient*innen habe ich gewählt als Abkürzung von, die Menschen für die der Designgegenstand gemacht wurde, damit sie damit umgehen. Also eben nicht die Auftraggeber*innen. Das liegt vor allem daran, dass mein eigener Fokus primär auf dem Kommunikationsdesign liegt. Wäre ich ein Produktdesigner würde ich anstatt des Wortes Rezipient*in eher das Wort Nutzer*in verwenden. Kund*innen sind hier gemeint im Sinne von den Kund*innen von Designer*innen. Sie sind also die Auftraggeber*innen. ↩︎

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