2.1.1
Design ist heutzutage ein vielbenutztes Wort, aber es ist schwer zu fassen, was es wirklich ist. Ziel dieses Kapitels ist es zu zeigen, dass Design eine Tätigkeit ist, deren Ergebnis ein Designgegenstand ist. Dieser vermittelt immer zwischen dem Menschen und der Welt. Er macht die Welt auf eine praktisch-ästhetische Weise handhabbar.
Design ist heute zu einem dieser inflationären Trendwörter geworden, bei denen niemand mehr so richtig weiß, worum es geht. Oft steht es in der Verbindung zur Ästhetik oder zum Schönen. Manchmal wird es aber auch nur in Verbindung mit dem Begriff des Formens und Schaffens konnotiert.
Wir müssen aber in unserem Verständnis von Design noch einen Schritt weiter gehen und behaupten, dass wir einen Designgegenstand nur unter der Rückgriff auf seine Ästhetik1 begreifen können. „Das heißt: Wer nicht auch auf die ästhetischen Eigenarten solcher Gegenstände Bezug nimmt, nimmt auf sie gar nicht als auf die Gegenstände, die sie sind, Bezug.“2 Eine (in anderen Thematiken wichtige) Debatte, der ich an dieser Stelle weitgehend ausweichen möchte, ist die Grenzziehung des Designbegriffs. Ich selbst würde behaupten, dass Designer*innen immer Designgegenstände entwerfen. Aber es gibt durchaus auch Stimmen in der Designforschung, die die Grenzziehung des Designbegriffs deutlich weiter fassen. Zum Beispiel Planungsvorgänge wie Stadtplanung oder Prozessentwicklungen werden oft zur weiteren Arbeit von Designer*innen gezählt.3 Ich selbst halte das aber eher für praktische, im Design entwickelte Methoden, die jetzt einerseits neue Berufsfelder eröffnen 1und andererseits in bestehenden Berufsfeldern Anwendung finden. Und natürlich übernehmen Designer*innen in ihrer Arbeit immer wieder auch planende und strukturierende Tätigkeiten, das heißt jedoch noch nicht, dass diese auch kategorial dem Design zugerechnet werden sollten.
Wenn wir den Begriff noch etwas weiter ausdifferenzieren, können wir uns gut dem Ergebnis von Daniel Feige anschließen, dass es sich bei Design um die praktisch-ästhetische Erschließung der Welt handelt. Der Anspruch an einen Designgegenstand ist also immer zweierlei. Designgegenstände sind immer dazu da, den Umgang des Menschen mit der Welt zu verändern / ihm zu helfen / ihn zu unterstützen. Und das machen Designgegenstände auf eine ästhetische Weise.
In anderen Worten: „eine plastik, die etwas leistet, ist kein kunstwerk mehr sondern eine maschine oder ein gerät, und ihre ästhetik ist bezogen auf ihren gebrauch. kunst aber will außerhalb der leistung stehen.“4 Designgegenständen ist es also inhärent, dass sie Teil unserer menschlichen Praktiken sind. Dies unterscheidet sie von Gegenständen der Kunst, die vorwiegend Reflexionen unserer gesellschaftlichen Realität sind. Damit ist auch die ästhetische Dimension von Designgegenständen eine andere als die der Kunst. Beim Design handelt es sich dementsprechend um eine Ästhetik des Gebrauchens und Funktionierens 5
Daniel Feige erweitert die Liste der ästhetischen Erfahrungen noch auf die Naturerfahrungen. Also nicht menschgemachte ästhetische Erlebnisse, die wir erleben können.6
Design
Ein Designgegenstand ist ein menschengemachter ästhetischer Gegenstand, der einen Nutzen im Sinne der praktischen Welterschließung hat.
Kunstwerk
Ein Kunstwerk ist ein menschengemachter ästhetischer Gegenstand, der keinen Nutzen im Sinne der praktischen Welterschließung hat.
Natur
Eine Naturerfahrung ist eine ästhetische Betrachtung eines nicht menschengemachten Phänomens oder Gegenstands.
Je nach Designbegriff fallen fast alle Gegenstände und auch einige geplante Umstände (Stadtplanung)7 in den Bereich des Designs. Das kommt uns allerdings intuitiv falsch vor. Es widerspricht dem, was wir grundlegend als Designverständnis haben. Es kann nicht alles was uns umgibt in den Bereich des Designs fallen. Doch nur weil etwas nicht von eine*r Designer*in geschaffen wurde, ist es kein Design. Oder in anderen Worten: „Jedermann entwirft manchmal; niemand entwirft immer. Entwerfen ist nicht das Monopol derjenigen, die sich selbst ,Designer‘ nennen.“8 Etwas das banal klingt, aber berücksichtigt werden muss, ist, dass nicht jeder Designgegenstand von eine*r Designer*in entworfen werden muss. Es sei denn man folgt der totalen Entgrenzung des Designbegriffs frei nach Josef Beuys, jeder Mensch sei ein Künstler, so wird jeder Mensch zum*r Designer*in des eigenen Lebens.
Doch auch ohne den Designbegriff so weit zu fassen muss man anerkennen, dass das Design als Arbeitsform Kreise zieht, die weit über die Gestaltung von Designgegenständen hinaus gehen. So werden zum Beispiel für das Design entwickelte Methoden aus dem Design herausgenommen und in andere Anwendungskontexte gebracht. Auch beschäftigt sich die Wissenschaft heute intensiv mit dem Design Thinking um neue Ansätze zu gewinnen.
Wie sehr Designer*innen aktiv in unser Leben und gesellschaftsprogrammatische Fragen eingreifen, hängt maßgeblich von der Strömung und der Zeit ab. So gab es immer wieder starke Bestrebungen im Design menschliches Leben zu verbessern. Zum Beispiel im Bauhaus9 oder in der Ulmer Schule. Auf der Kehrseite gab es aber auch immer wieder Bewegungen weg davon und hin zum Statussymbol. Es kommt auch immer wieder vor, dass Designgegenstände, die mit einer bestimmten Absicht konzipiert wurden, neu umgedeutet werden.10 Wir begreifen Designgegenstände als Gegenstände, die (1) ästhetisch und (2) praktisch sind. Designgegenstände als bloße Gebrauchsgegenstände und Designgegenstände als ästhetisches Statussymbol sind also zwei Extrempunkte in einem Spektrum in dem sich Design bewegt.
Auch muss in Betracht gezogen werden, dass ein Designgegenstand auf unterschiedliche Weise wirkt. Einerseits erweitert er – wenn er denn nützlich ist – den Handlungsspielraum eines Menschen. Wie zum Beispiel ein Stuhl, der uns ermöglicht auf eine bestimmte Art zu sitzen. Er kann aber auch durch die Art seiner Produktion etwas verändern. Etwa in dem er Plastik zur Herstellung benutzt welches aus dem Meer recycelt wird. Er kann aber auch durch sein Ideal eine Haltung verkörpern und dieses gesellschaftlich multiplizieren. Etwa indem er schönes Design und Recycling zusammenführt und dadurch Wiederverwendung als Statussymbol gesellschaftlich attraktiv macht.
Es ist vor allem wichtig zu begreifen, dass die Arbeit de*r Designer*in über das Ästhetische weit hinaus geht. Schließlich ist das letztendliche Ziel von Design etwas zu verändern / etwas zu leisten.
Design fungiert als entwerferische Tätigkeit um ästhetisch-praktische Anforderungen der Welterschließung zu bewerkstelligen.