4.1.1

Zusammenfassung des theoretischen Teils

Ich stehe nun am Ende dieser Arbeit und kann dennoch nur wenig konkrete Antworten geben. Vielleicht ist das die größte Erkenntnis, die ich aus dieser Arbeit ziehen konnte und gezogen habe. Als ich direkt nach dem Bachelor in den Master startete, um mich mit den Thema Ethik und Kommunikationsdesign zu befassen, dachte ich (naiv) am Ende würde ich wissen, was gutes Design ist. Ich dachte, ich würde wissen, wie eine* gute* Designer*in zu handeln hat. Und vor allem dachte ich, ich könnte leichte Antworten auf derartige Fragen geben. Die größte – und gewissermaßen für das Resümee vorbehaltene – Erkenntnis ist, dass das gute Design immer Debatte ist. Es gibt keine algorithmische Anleitung. Es muss jedes mal aufs neue ausdiskutiert, ausgetestet und ausprobiert werden. Das ist jedoch keine wirklich neue Einsicht im Design. Die Tage, in der Helvetica oder Rotis die Antwort auf jede Gestaltungsfrage geben, sind lange vorbei. Doch was diese Arbeit verdeutlicht, ist, dass es ebensowenig ausreicht, wenn ein*e Designer*in bestimmt, was richtiges Design zu sein hat. Selbst dann nicht, wenn er*sie die besten Absichten hegt. Zu schnell kann ein Detail übersehen, eine Person übergangen werden. Doch jeder, von einer Designarbeit betroffener, Mensch hat ein gewisses Anrecht zur Teilhabe und Mitbestimmung in deren Entstehungsprozess. Das diskursive Design ist deswegen eine gute Methode, weil es die verschiedenen Interessensparteien in den Entwurf integriert.

Gerade deswegen ist das diskursive Design eine besonders interessante Methode. Es gibt kein rigides Gerüst vor, dessen Befolgung den Erfolg garantiert. Vielmehr ist es ein wandelbares und anpassungsfähiges Modell, dass mit den Nutzer*innen, die es anwenden, wächst.

Ich hatte immer Schwierigkeiten mit der Anwendung einer utilitaristischen Ethik. Dem negativen Utilitarismus lässt sich jedoch einiges abgewinnen. Dieser formuliert den klassischen Utilitarismus gewissermaßen um, in dem er nicht das größte Glück für die Meisten postuliert, sondern das geringste Leid. Theoretisch könnte man meinen, beide Ansätze kämen auf dasselbe hinaus. Doch gerade in der Umkehrung des Blickwinkels liegen Erkenntnisse, die uns verborgen bleiben, wenn wir uns nur auf das eine konzentrieren. Das diskursive Design macht dasselbe. Es zwingt Designer*innen durch den Entwurfsprozess andere Blickwinkel einzunehmen und diese zu reflektieren. Anders als im Social Design nehmen Rezipient*innen dabei jedoch keine ausführende Rolle ein. Vielmehr wird d*ie Designer*in dazu gebracht, aktiv im Austausch die Ansprüche und Anforderungen aller Beteiligungen herauszuarbeiten.

Nur weil weil gute Handlungen intendiert waren, heißt es noch nicht, dass die Handlung auch gut ist. Aber die Prüfung und Reflexion im Diskurs gibt de*r Designer*in die bestmögliche Chance auf gutes Design.

4.1.1.2. Kein Spielraum im Entwurf

Designer*innen haben einen hohen moralischen Anspruch an ihre eigenen Handlungen. Ich habe in dieser Arbeit an verschiedenen Stellen immer wieder klar machen wollen, dass es für Designer*innen ungemein wichtig ist, zu begreifen, wann sie Handlungsspielraum haben und wann nicht. Zwischen der oft schlechten Arbeitsplatzsituation, Kundenlage, den relativ geringen Gehältern und den strikten Hierarchien bleibt Designer*innen selten der notwendige Spielraum für das Reflektieren guter Handlungen. Immer dann, wenn dadurch schlechtes Design entsteht, ist es wichtig zu begreifen, dass Designer*innen in solchen Situationen nicht schlecht gehandelt haben. Man könnte sogar darüber streiten, ob sie überhaupt gehandelt haben. Dieser Verständnissprung ist wichtig, denn es setzt direkt an die Forderung dieser Arbeit an. Wenn wir gutes Design wollen, müssen wir die Vorraussetzungen für solches schaffen.

4.1.1.3 Erweiterung des Handlungsoptionen

Allen Designer*innen mehr Handlungsspielraum zu geben ist eine große Forderung, die zwei Unteranforderungen umfasst. Einerseits geht es darum, Designer*innen mehr Verantwortung zu geben, um ihnen mehr Spielraum zu lassen. Dies geschieht vor allem durch einen Hierarchieabbau innerhalb der Strukturen, in denen Designer*innen arbeiten. Andererseits geschieht das auch dadurch, dass Designer*innen Entscheidungsvermögen externalisieren, indem sie Rezipient*innen in ihren Designprozess integrieren und ihnen gewähren, Einfluss zu nehmen.

Die erste Anforderung ist eine Frage der Arbeitsstruktur von Designer*innen, für die ich die Genossenschaft als Antwort vorgeschlagen habe.

Die zweite große Anforderung an gutes Design ist die Schaffung von Verständigungsräumen zwischen Designer*innen, Rezipient*innen und Kund*innen. Diese sind eine Voraussetzung für die Diskurse, die gutes Design ermöglichen sollen.

4.1.1.4 Anknüpfungspunkte an den theoretischen Teil dieser Arbeit

Diese neue Theorie des diskursiven Designs, hat noch viel Potential. Es gibt viele Punkte, an die angeknüpft werden kann. Ein interessanter Punkt ist beispielsweise die Ökonomisierung der Lebenswelt, die einige Rückschlüsse auf Design und Werbung und welches Menschenbild Designer*innen dabei entwickeln, bereitzuhalten scheint.1 Spannend finde ich auch die Bezüge zwischen Politik, Gesellschaft und Design, wo mit Habermas Theorien sicherlich noch einige Erkenntnisse gefunden werden können. Ein weiterer Aspekt, den die Arbeit gewissermaßen nur überfliegt, ist der Umgang von Designer*innen mit Symbolen. Ein Verständnis dafür ist elementar, wenn wir die Arbeit eine*r Kommunikationsdesigner*in betrachten wollen. Ebenfalls spannende Erweiterungen des diskursiven Designs könnte in der Annerkennungstheorie von Axel Honneth zu finden sein. Als Schüler von Habermas bietet Honneth einen guten Einstieg, wenn wir beschreiben wollen, wie genau wir jetzt als Designer*innen mit unserem Gegenüber umgehen sollen.

Für mich selbst habe ich beschlossen, dass dieser Designansatz vielversprechend genug ist, um ihn auf die Probe zu stellen indem ich ihn in meinen Designprozess einbinde, prüfe und auf diese Art weiterentwickle. Dies ist ein wichtige Aspekt einer anwendungsbezogenen Designtheorie. Es gilt, sie weiter auf die Probe zu stellen, auszuprobieren und zu verfeinern.

  1. @habermas2016, S.489ff ↩︎

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